"Aus Tradition für Qualität und Fortschritt"

Biografie Dr. Folkart Schweizer

 

Auszug aus dem Kapitel „Haie tun nichts!“

 Ein Freund aus Bolivien, ein langjähriger Taucher, der sich auf das Tauchen und auf das Fotografieren vor allem von Tigerhaien spezialisiert hat und sich seit einigen Jahren für das Wohl der Haie einsetzt, versuchte, mir die bevorstehende Tour schmackhaft zu machen: „Eine Woche liegt das Schiff an dieser Sandbank vor Anker, dem Tiger Beach. Man taucht jeden Tag mit vier, fünf Meter langen Haien, und es gibt zahllose Tigerhaie.“ Irgendwann unterbrach ich ihn: „Ja … die Haie beißen dich doch, die sind doch gefährlich.“ „Nein, die sind nicht gefährlich.“ Er mailte mir dann Bilder von sich und den Haien, wie er mit den Haifischen unter Wasser schwamm und sie streichelte. Dann setzte bei mir wieder die Ratio ein und ich dachte: „Also, wenn das so ist, und der lebt schließlich immer noch, dann wird das wohl so sein wie er sagt.“ Daraufhin hab ich mich … angemeldet.

 Unser Schiff mit insgesamt elf Personen startete von Palm Beach aus und ging nördlich der Bahamas … vor Anker. Das Wasser dort ist ungefähr sechs bis acht Meter tief. Direkt nach unserer Ankunft wurden die Haie mit Ködern – einer feinmaschigen Gitterbox mit toten Fischen drin – angelockt. Es dauerte nur wenige Minuten und schon schwammen die ersten Zitronenhaie um unser Boot. Die Zitronenhaie verdanken ihren Namen ihrer gelblichen Oberfläche. Während sich Zitronenhai für mich eher niedlich anhörte, sahen die aber unheimlich gefährlich aus! Bald darauf kam ein Hammerhai und irgendwann die ersten Tigerhaie. Außer mir waren alle erfahrene Haitaucher. Als die hörten, dass die Haie da sind, zogen sie alle ihre Anzüge an und sprangen ins Wasser.

 Die Reaktion war mir fremd, denn bisher war ich gewohnt, dass bei dem Ruf „Haie!“ alle aus dem Wasser rausliefen oder -schwammen. Nachdem sie also alle wie wild ins Wasser gesprungen waren und schon zu den Haien tauchten, entschied ich mich – als Letzter – auch ins Wasser zu gehen. Es waren so 20 bis 30 Haie um einen herum und die wollten wirklich nichts von einem! Wenn man sich ungeschickt verhält, kann es zwar schon mal passieren, dass die einen in den Arm oder ins Bein beißen. (…) Haie machen oft einen Probebiss, um rauszufinden, ob das, was da vor ihnen vorbeischwimmt, Nahrung ist oder nicht. Ist man nicht richtig geschützt, kann das also schon ziemlich gefährlich sein. Alle diese Informationen hab ich aber erst im Laufe der Woche bekommen. (…)

Als nun alle im Wasser waren, hab ich sämtliche Hemmungen abgeworfen, denn ich war jetzt überzeugt: „Haie tun nichts!“ Was aber so natürlich nicht ganz stimmte . (…) Die Hammerhaie sind die Schüchternsten, die kommen nur ganz vorsichtig an einen heran. Einmal kam einer bis auf 50 Zentimeter auf mich zu und drehte kurz vor mir ab. Die Augen sitzen bei denen auf dem Querbalken, sodass der Hai mich beim Vorbeischwimmen richtig anschaute. Da überlegt man sich schon: „Was denkt der jetzt gerade über mich!?“

 Im Laufe der Woche wurde mir richtig bewusst, dass wir alle offensichtlich mit völlig falschen Vorstellungen über Haie erzogen wurden. Von wegen, der Hai das Monster! Die Kinofilme über angebliche Haiangriffe zeichnen ein völlig falsches Bild. Der Mensch ist der Feind des Haies! Weltweit werden jährlich über 200 Millionen Haie getötet. Den meisten werden lebendig die Flossen abgeschnitten und anschließend wirft man sie wieder ins Wasser. Die Haie verenden dann elendig am Meeresgrund, weil sie nicht mehr schwimmen können.

 Am letzten Tag wollte ich erst mal nur schnorcheln und danach mit der Flasche nochmals runter. Aber ich hatte zu wenig Gewichte dran und konnte meinen Auftrieb, den ich auch durch den Tauchanzug hatte, nicht ausgleichen. Ich lag die ganze Zeit flach an der Wasseroberfläche und kam nicht in die Senkrechte, was aber wichtig ist, um die Bewegungsfähigkeit zu erhöhen. Nachdem ich ein bisschen rumgepaddelt war, entschloss ich mich, zurück zum Boot zu schwimmen und mit der Pressluftflasche runterzugehen. Im selben Moment sehe ich, wie so ein Tigerhai von unten auf mich zuschwimmt. Der war circa fünf Meter lang und kam direkt auf mich zu!

 Wenn der Hai direkt auf einen zukommt, ist er neugierig und will was von einem. Ich lag eigentlich wehrlos da oben, konnte nur mit den Flossen paddeln, kam aber nicht in die Senkrechte, um den Hai eventuell mit der Hand noch abzuwehren oder ihm entgegenzuschwimmen. Ich hatte einfach zuviel Auftrieb. Was tun? Ich dachte: „Jetzt bleib ich da mal liegen und warte ab, was passiert.“ Dann kam der Hai von der Seite, von schräg links unten nach oben, und ich überlegte: „Vielleicht stößt er mich nur an und geht dann wieder.“ In dem Augenblick verspürte ich einen Stoß!

Das bin ich - links ...

Das bin ich – links …

 Er hatte mich am Rumpf gepackt, meinen kompletten Bauch- und Hüftbereich im Maul und schüttelte mich hin und her. Dann merkte er wohl, dass Schwaben doch nicht so gut schmecken, ließ mich los und schwamm weiter. In dem Moment, als er auf mich zukam, hatte ich absolut keine Panik. Ich war mir bewusst, dass es weitaus gefährlicher wäre, wild mit den Armen und Beinen zu wedeln, denn dann würde er ja vielleicht meinen Arm oder mein Bein erwischen. Das wäre schlecht gewesen. Der Hai hat eben einen Probebiss gemacht – Haie haben ihre Geschmacksnerven im Gaumen. (…)

Beim Probebiss entwickeln die Haie zum Glück nur einen Bruchteil dessen an Kraft, was sonst möglich wäre. Ich hab später gelesen, dass ein normaler Mensch im Schnitt 30 Kilo Schließkraft mit dem Kiefer besitzt, während die der Haie bei 350 Kilo liegt! Das sind dann schon andere Dimensionen!

 W. tauchte zufällig ganz in meiner Nähe und hatte alles beobachtet. Wir schwammen dann gemeinsam zurück zum Schiff. Ich stieg aus dem Wasser, zog meinen Anzug aus und schaute, ob ich irgendwelche Verletzungen davongetragen hatte. In meinem Tauchanzug befanden sich 14 Löcher, aber keines ging bis auf die Haut durch! Ich hatte keine Schramme abbekommen! Wirklich absolut keine Verletzung! Fast ein Wunder!

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